„Two by Two“, paarweise, so werden die Bilder von Mary Heilmann und David Reed im Hamburger Bahnhof präsentiert. 19 Bildpaare, die jeweils derart eng aneinandergerückt präsentiert werden, dass Heilmanns Formulierung von den einander küssenden Bilder sofort einsichtig wird. Doch muss ich gestehen, dass mich vornehmlich Heilmann angezogen hat. Ich wollte die Erinnerung an ihre kleine Ausstellung bei Barbara Weiss 2010 auffrischen und mehr von ihr zu sehen. Ein alter Bekannter aus der Ausstellung bei Weiss ist das Bild „Red Kachina“ (1980).
Eine einfache rote Stufenform am rechten Bildrand kontrastiert mit dem Schwarz der restlichen Bildfläche. Dabei ist die rote Form nicht streng geometrisch, sondern offensichtlich freihändig ausgeführt, was dem Bild seine Leichtigkeit und seinen individuellen Charme gibt.
Es ist kein Wunder, dass angesichts von Heilmanns Bildern immer wieder das Musikalische und ihr Bezug zur Musik hervorgehoben werden. Sie erscheinen voller Rhythmus und Melodie. Daher ist ein Bild wie „Little Mondrian“ dann auch nicht, wie gelegentlich behauptet, ein ironischer Kommentar zu Mondrian, sondern vielmehr eine sehr lebendige musikalische Variation seiner Bildthemen – und unterläuft genau damit Mondrians Absolutheitsanspruch. Ein weiterer Verweis auf die Welt der Musik sind Heilmanns Bildtitel, in der Berliner Ausstellung beispielsweise die Bilder „Let it Be“ und „Bush of Ghosts“, letzteres wohl ein Hinweis auf das Album „My Life in the Bush of Ghosts“ von Brian Eno und David Byrne (die ihrerseits einen Romantitel des nigerianischen Autors Amos Tutuola zitierten).
Ein anderes Beispiel, und leider nicht in Berlin zu sehen, ist das Bild „Save the Last Dance for Me“, zu dem bei Afterall Books eine wunderbare Monografie von Terry R. Myers erschienen ist. Nach einer ersten phänomenologischen Annäherung an das Bild, erkundet Myers die biografischen wie die kunst- und kulturgeschichtlichen Schichten des Bildes, um sich derart informiert erneut seiner Form zuzuwenden.
„Save the Last Dance for Me“ entstand 1979, zu einer Zeit, in der Heilmanns Kunst eine entscheidende Wende nahm. Wie sie selber schrieb: „Now the work came from a different place. Instead of working out of the dogma of modernist nonimage formalism, I began to see that the choices in the work depended more on content for their meaning. It was the end of modernism and, though I hadn’t heard the news, the beginning of postmodernism. It was a big minute for me. Everything would be different.“ (In: „The All Night Movie“ [1999], wiederabgedruckt in: Mary Heilmann. Good Vibrations, Köln 2012, S. 179-199, hier S. 195.)
Eingeläutet wurde dieser Neuanfang durch eine ganze Serie von Bildern in Schwarz und Pink, zu der auch „Save the Last Dance for Me“ gehört. Myers weist zurecht darauf hin, dass dies die Farben des New Wave waren. Doch wenn man sich den Katalog „Good Vibrations“ zu Heilmanns Ausstellung in Maastricht und Nürnberg 2012/2013 genauer anschaut, sieht man auf einem Foto von Heilmanns Bridgehamptoner Atelier ein Plattencover von 1960, also weit vor dem New Wave: das Cover von „Save the Last Dance for Me“ der Platters – in Pink und Schwarz.
Myers konnte den Katalog natürlich noch nicht kennen, ist sein Buch doch schon 2007 erschienen. Aber offensichtlich hat ihn Heilmann auch nicht auf das Cover hingewiesen. Dabei macht sie eigentlich keineswegs ein Geheimnis aus ihren Quellen und Inspirationen, so etwa in dem auch jetzt zu sehenden Film „Her Life“, in dem sie ihren Bildern Fotos von Landschaften, Orten usw. gegenüberstellt. Ob also das Plattencover der Platters womöglich sogar die Inspiration für ihre Serie in Schwarz und Pink war, muss offen bleiben. Zumindest jedoch stand das Bild „Save the Last Dance for Me“ nicht am Anfang der Serie. So ist in der Berliner Ausstellung das Bild „Orbit“ von 1978 zu sehen, in dem Silber als dritte Farbe hinzukommt. Es ist ein eher dreckiges Silber, das in dem Bild mit einem vehementen Pink konfrontiert wird, und aus dem silbernen Dreieck regnet es Farbspritzer herab. Wer umkreist hier wen, das Silber das Pink oder umgekehrt? Doch ist wohl auch keineswegs ausgeschlossen, dass der Titel und die Komposition womöglich einen ganz konkreten Ursprung haben, wie es etwa bei ihrem Bild „The End“ (1978; nicht in der Ausstellung) der Fall ist, einem roten Quadrat auf gelbem Grund, dessen Komposition auf einem Foto von Heilmanns kurz zuvor verstorbenem Freund Gordon Matta-Clark beruht.
Doch muss sich der teils anekdotische Gehalt einzelner Bilder gar nicht unbedingt erschließen, um ihre zutiefst persönliche Grundierung zu spüren. Und manchmal scheint das Anekdotische das Bild ein wenig seiner Wirkung zu berauben. So kann man bei ihrem Bild „The Glass Bottomed Boat“ ruhig schnell wieder vergessen, dass Heilmann als Kind mit ihrer Familie auf einem solchen Boot mit Glasboden gefahren ist, um sich ganz dem Bild zu überlassen. Genau dazu bietet die Ausstellung im Hamburger Bahnhof nun Gelegenheit.