Eigene Übersetzungen: Neu eingetroffen

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Gerade eingetroffen ist aus dem Piet Meyer Verlag die erste umfassende Monografie zu Leigh Bowery, für die ich Beiträge von Martin Gayford, Anne Marsh und Sue Tilley übersetzt habe.
Leigh Bowery – vielen wird der Name nicht unbedingt geläufig sein, und doch war er in den 1980ern eine ungemein einflussreiche künstlerische Persönlichkeit der Subkultur und darüber hinaus. Und aus eben diesem „darüber hinaus“ kannte ich ihn bereits, als die Übersetzungsanfrage kam: Leigh Bowery war in den letzten Jahren seines kurzen Lebens (1961-1994) eines der wichtigsten Modelle von Lucian Freud, zu dessen „Porträts“ ich vor ein paar Jahren den Katalog übersetzt habe. Doch nicht nur Bowery hatte ich durch den Freud-Auftrag bereits kennengelernt, sondern auch den Piet Meyer Verlag, in dem das wunderbare Buch „Mann mit blauem Schal“ erschienen ist, in dem Martin Gayford von der Entstehung seines Porträts durch Lucian Freud berichtet. (Für die Bowery-Monografie hat Gayford den Text „‚Ein riesiger unbekümmerter Narrenprinz‘: Lucian Freuds Bilder von Leigh Bowery“ geschrieben.)
Was als Erstes auffällt bei dem jetzt erschienenen „Leigh Bowery: Verwandlungskünstler“, ist seine visuelle Pracht. Unter dem oben abgebildeten Schutzumschlag verbirgt sich ein Einband in einem changierenden Magentaton, den ich mit der Kamera unmöglich einfangen konnte. Das Papier ist matt und ganz hervorragend für die zahlreichen Abbildungen in den fünf Bilderstrecken (Clubbing, Mode, Still Life, Performance, Prothesen) und den Textbeiträgen geeignet. Die Fotos wirken in ihrer Farbigkeit, als wären sie gerade erst aufgenommen worden, und beweisen darin ihre Überlegenheit über die verwaschenen

Fergus Greer, Session V, Look 27, Februar 1992 (li.) und Session II, Look 7, Juli 1989 (re.)

Fergus Greer, Session V, Look 27, Februar 1992 (li.) und Session II, Look 7, Juli 1989

Filmdokumente, die man auf YouTube anschauen kann. Andererseits geben die Filme einen lebendigen Eindruck von Bowery als Performer, ein Aspekt, auf den auch in dem Buch in Wort und Bild gebührend eingegangen wird. Denn allzu leicht könnte man angesichts der Fotos Bowery vorrangig als ein Phänomen der Oberflächen betrachten, während er die Grenze, die die Oberfläche darstellt, stets transgressiv überwand. Und so nimmt es nicht wunder, dass er in queeren Kreisen heute jene Bekanntheit genießt, die ihm auch außerhalb davon gebührt. Ein Ansatzpunkt für eine breitere Bekanntheit ist fraglos die Mode, ließ sich doch vermutlich manch Designer von Bowery inspirieren (Alexander McQueen, Viktor & Rolf, Comme des Garçons etc.). Doch weist Gertrud Lehnert in ihrem Beitrag zu Recht darauf hin, dass Bowery eben gerade keine Mode machte.

von oben links im Uhrzeigersinn: Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf, Fergus Greer, Session VII, Look 38 und Session III, Look 15

von oben links im Uhrzeigersinn: Maison Martin Margiela, Viktor & Rolf, Fergus Greer, Session VII, Look 38 und Session III, Look 15

Er nutzte vielmehr die Kleidung, um sein Diktum umzusetzen: „Mein Körper kann unbegrenzt viele Gestalten und Formen annehmen!“ Mode als zu vermarktende Erscheinung interessierte ihn nicht. Sie war bei ihm, der auch selbst eine regelmäßige Clubnacht veranstaltete, untrennbar mit dem Auftritt als Performance verbunden. Ob nun in den Foto-Sessions mit Fergus Greer, im Nachtclub oder auch auf der Straße. Er war zweifellos ein Freak, und es lohnt sich, ihn näher kennenzulernen.
P.S.: Um sich Bowery erstmals zu nähern, empfehle ich den äußerst persönlichen Brief von Sue Tilley (auch sie ein Freud-Modell) an den toten Freund, mit dem der Band endet.

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